13. Oktober 2010

Bringt die gesundheitsreform mehr wettbewerb?

Interview von Roland Roider, BCA Vorstand Versicherungen, mit Herrn Friedrich Schmücker, Vorsitzender des Vorstandes der Alte oldenburger, und Herrn Dr. h.c. Josef Beutelmann, Vorsitzender des Vorstandes der Barmenia Versicherungen.


Können die ursprünglichen Ziele des Wettbewerbsstärkungsgesetzes – mehr Wettbewerb in der GKV und PKV und größere Preisstabilität zu erlangen – als erreicht angesehen werden? Und führen die grundlegenden Veränderungen des dualen Gesundheitssystems in Deutschland:

  • Einführung einer Versicherungspflicht für alle Bürger;
  • Einführung Basistarif in der PKV;
  • Einführung des Gesundheitsfonds in der GKV;
  • Wahltarife in der GKV.
tatsächlich zu mehr Wettbewerb? Was bedeutet das Wettbewerbsstärkungsgesetz für den Fortbestand der Privaten Krankenversicherung? Das folgende Interview bringt die wichtigsten Veränderungen für die PKV klar und übersichtlich auf den Punkt.

ROLAND ROIDER: Herr Dr. Beutelmann, das Wettbewerbsstärkungsgesetz soll u.a. die Transparenz in der Gesundheitsversorgung stärken und zu Kostenersparnissen führen. Sehen Sie diese und die anderen Ziele des Wettbewerbsstärkungsgesetzes als realistisch an?

DR. H. C. JOSEF BEUTELMANN: Die Gesundheitsreform 2007 hatte eine umfassende Reform der gesetzlichen Krankenversicherung zum Ziel, die die Qualität, Wirtschaftlichkeit und Transparenz der Gesundheitsversorgung steigern, die Finanzgrundlagen stärken und das Beitragssatzniveau senken sollte. Viele Kritiker sind schon heute der Meinung, dass der Wettbewerb nur sehr begrenzt gestärkt wird. Weitere Tendenzen zur Verstaatlichung und Vereinheitlichung ergeben sich durch die Festsetzung eines für alle Krankenkassen gültigen Beitragssatzes, der noch dazu vom Gesetzgeber bestimmt wird. Der ursprüngliche Wunsch, „mehr Freiheit und mehr Wettbewerb“ zu wagen, bleibt wohl unerfüllt. Die sich abzeichnende Höhe des ab 2009 gültigen Beitragssatzes wird das Beitragsniveau noch einmal deutlich anheben statt absenken. Für die Privatversicherten sollten die Wahlrechte und Wechselmöglichkeiten durch anrechnungsfähige Ausgestaltung der Alterungsrückstellungen sowie Einführung eines Basistarifs in der PKV verbessert werden. Der Basistarif ist zum 1.1.2009 einzuführen.

Der Basistarif wird zum 1.1.’09 u.a. aufgrund der Pflichtversicherung eingeführt, um auch alten und kranken Personen, die der PKV zuzuordnen sind, die Möglichkeit des Krankenversicherungsschutzes zu bieten. Welche Leistungen wird dieser Basistarif zukünftig enthalten?

DR. H.C. JOSEF BEUTELMANN: Der Basistarif ist eine GKV-ähnliche Absicherung. Er wird also Leistungen nach Art, Umfang und Höhe der SGB V-Leistungen beinhalten, unter anderem:

  • Ärztliche/zahnärztliche Behandlung, nur Vertragsärzte und Vertragszahnärzte der GKV (PKV: alle niedergelassenen, approbierten Ärzte und Zahnärzte);
  • Honorare bis 1,8-fach GOÄ bzw. 2-fach GOZ (PKV: Gebührenhöchstsätze bis 3,5-fach GOÄ und GOZ);
  • Krankenhausbehandlung, nur zugelassene öffentliche Krankenhäuser entsprechend ärztlicher Anweisung (PKV: freie Krankenhauswahl);
  • viele Therapiearten mit „zahlenmäßiger“ Begrenzung wie z.B. Psychotherapie, ambulante Reha (PKV: Erstattung nach „medizinischer Notwendigkeit“
    ohne Begrenzung);
  • neue Therapiearten nur nach zentraler behördlicher Zulassung (PKV: alle bewährten Verfahren, z.B. Osteopathie);
  • regelmäßig keine Leistungen für nicht verordnungspflichtige Arzneimittel (PKV: Erstattung, ggf. auch wenn keine Verordnungspflicht besteht, z.B. Zyrtec, Heparin-Salbe);
  • Ausschlüsse, Fest- und Höchstbeiträge bei Arzneiund Verbandmitteln (PKV: keine grundsätzlichen Einschränkungen);
  • neue Leistungen analog GKV, z.B. Haushaltshilfe, Mutterschaftsgeld, Eltern/Kind-Kuren von besonderen Voraussetzungen abhängig.;
Herr Schmücker, welche Probleme sehen Sie für die PKV, die durch die Einführung des Basistarifs im Hinblick auf die Beiträge aller Versicherten entstehen werden?

Friedrich Schmücker
FRIEDRICH SCHMÜCKER: Da der Basistarif aufgrund der Begrenzung der Beitragshöhe und der nicht risikoadäquaten Beitragserhebung nicht kostendeckend kalkuliert werden kann, wird eine Subventionierung durch die Normaltarife erfolgen müssen. Die Beiträge aller Versicherten werden somit steigen.

Zukünftig müssen alle Privaten Krankenversicherer die Mitnahme der Alterungsrückstellungen in Höhe des im Basistarifs einkalkulierten Teils in die Prämien einkalkulieren. Was bedeutet die Portabilität der Alterungsrückstellung für die Branche?

FRIEDRICH SCHMÜCKER: Da die Mitnahmemöglichkeit der Alterungsrückstellung zukünftig in die Beitragskalkulation einfließen muss, werden die Beiträge steigen. Wie stark die Neueintrittsbeiträge zum 1.1.2009 bei den einzelnen PKVUnternehmen erhöht werden müssen, ist abhängig vom individuellen PKV-Storno des einzelnen Unternehmens. Die Beitragsvorteile der PKV gegenüber der GKV werden sich durch die höheren Neueintrittsbeiträge aber verringern.

Die PKV als Ganzes muss sich auch weiterhin ihrer sozialpolitischen Bedeutung bewusst sein
Friedrich Schmücker, Vorsitzender des Vorstandes der ALTE OLDENBURGER

Innerhalb der PKV wird es zu einem verstärkten Wettbewerb um gesunde Kunden kommen. Bei Unternehmen, die durch überdurchschnittliche Abgänge guter Risiken in der Folge erhöhte Beitragsanpassungen vornehmen müssen, wird dies vor allem ältere und kranke Versicherungsnehmer, die ihren Versicherer nicht mehr wechseln können, belasten.

Außerdem werden die Mittel aus der Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung vermehrt für die Barausschüttungen infolge von Anbieterwechsel verwendet und nicht mehr in so hohem Maße zur Milderung von Beitragsanpassungen zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus werden einige Gesellschaften noch eher geneigt sein, neue Tarife zu entwickeln und alte Tarife zu schließen, sofern die Wettbewerbsfähigkeit der bestehenden Tarife nachlässt.

Die PKV als Ganzes muss sich auch weiterhin ihrer sozialpolitischen Bedeutung bewusst sein und darf nicht wegen vertriebspolitischer Ziele die solide Beitragskalkulation aufgeben.

Josef Beutelmann
DR. H.C. JOSEF BEUTELMANN: Für uns bedeutet das einen immensen verwaltungstechnischen Aufwand, der sich natürlich auch in Euro und Cent ausdrückt. Die Aufwände hängen stark von der Integration der IT-Systeme, von den Produktwelten, evtl. Vorbereitungen auf die Gesundheitsreform in vorgelagerten Projekten oder gleichzeitigen Fusionen ab.

Herr Schmücker, zum heutigen Zeitpunkt können die Privaten Krankenversicherer die Höhe der portablen Alterungsrückstellungen noch nicht benennen. Auf was müssen die Vermittler achten, wenn sie ihre Bestands- und auch Neukunden im Krankenversicherungsgeschäft heute beraten?

FRIEDRICH SCHMÜCKER: Da die Höhe der portablen Alterungsrückstellungen heute noch nicht konkret beziffert werden kann, sollten die Vermittler im Beratungsgespräch daher vermeiden, dem Kunden Angaben zur Höhe der Übertragbarkeit von Alterungsrückstellungen zu machen.

Bei Beratungsgesprächen zur Vermittlung einer privaten Krankenversicherung, auch im Hinblick eines Gesellschaftswechsels, sollte natürlich immer auf die Beitragsstabilität der Tarife, das Alter der Tarife, Leistungsinhalte (im besonderen bei Niedrigpreistarifen) und auf die rechtzeitige Aushändigung aller abschlussrelevanten Unterlagen geachtet werden.

Die private Krankenversicherung
ist als marktwirtschaftliche Alternative
zu einer staatlichen Versorgung in
der gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung unverzichtbar
DR. H.C. JOSEF BEUTELMANN, Vorsitzender des Vorstandes der Barmenia Versicherungen

Welche Rolle wird der Basistarif in Abhängigkeit seiner Leistungen zukünftig spielen?

FRIEDRICH SCHMÜCKER: Der Basistarif wird zukünftig für die PKV keine größere Rolle spielen. In den Basistarif werden voraussichtlich nur Personen wechseln:

  • die aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage ihre Beiträge in den PKV-typischen Tarifen nicht mehr zahlen können;
  • die aus Risikogründen bisher nicht in die PKV wechseln konnten, aber gerne aus Imagegründen PKV-versichert sein wollen;
  • die nicht versichert und der PKV zuzurechnen sind.
Einige Krankenversicherer haben im Laufe des Jahres für wechselwillige PKV-Kunden Optionstarife entwickelt, die den Gesundheitszustand „einfrieren“ sollen. Halten Sie die Vermittlung von solchen Optionstarifen für PKV-Bestandskunden bereits in 2008 für ratsam, obwohl die Umsetzung des WSG noch nicht abschließend geregelt ist?

FRIEDRICH SCHMÜCKER: Optionstarife machen wenig Sinn, weil sie den Wechsel der Bestandskunden forcieren sollen, der Wechsel für den Kunden oftmals aber nicht opportun ist.

Vermittler sollten im Sinne einer verantwortbaren Kundenberatung zunächst prüfen, ob ein Tarifwechsel im bisherigen Unternehmen nicht die bessere Alternative ist.

DR. H.C. JOSEF BEUTELMANN: Die sich inzwischen sehr konkret abzeichnende Rechtslage führt die Anfang des Jahres speziell für PKV-Bestandskunden entwickelten Optionstarife im Nachhinein generell ad absurdum. Wir fühlen uns damit in unserer Sichtweise bestätigt, einen solchen Tarif von Anfang an gar nicht erst anzubieten.

Wann machen Optionstarife generell Sinn?

FRIEDRICH SCHMÜCKER: Zur Überbrückung des 3-Jahres-Moratoriums (Wahltarifbelegung in der GKV, Statuswechsel vom Selbstständigen zum Angestellten, pflichtversicherte und freiwillig versicherte Angestellte).

Für das 1. Halbjahr 2009 sollte den vollversicherten Bestandskunden die Möglichkeit des Anbieterwechsels inkl. anteiliger Alterungsrückstellungen gegeben werden. Nun soll es dafür eine 18-monatige Verweildauer im Basistarif geben. Warum ist das so, und halten Sie das für richtig?

FRIEDRICH SCHMÜCKER: Um unzufriedenen Versicherten eine kurzfristige einmalige Ventillösung zum Wechsel des Versicherers zu eröffnen, wurde vom Gesetzgeber der Wechsel in den Basistarif eines anderen Versicherers zwischen dem 1.1. und dem 30.6.2009 vorgesehen.

Wer ab dem 1.1.2009 einen privaten Krankenversicherungsvertrag neu abschließt, erhält ein uneingeschränktes Wechselrecht in den Basistarif jedes beliebigen PKV-Unternehmens.

Die angesprochene Verweildauer im Basistarif wurde von den PKV-Gesellschaften gefordert, damit die alten und kranken Versicherten vor einer Ausblutung ihres Versichertenkollektivs geschützt werden. Die Mitgabe der Alterungsrückstellung ist in den bisherigen PKV-Tarifen nicht in die Beitragskalkulationen einkalkuliert.

Somit sind die kurzfristigen Folgen für die Risikotragfähigkeit eines Versicherers unabsehbar, wenn größere Bestandsverluste an gesunden Versicherten entstehen.

Obwohl sich die AO wegen ihrer wettbewerbsfähigen Tarife eher als Gewinner eines allgemeinen Wechselrechts im ersten Halbjahr 2009 sieht, halten wir eine Entscheidung, die das Wechselrecht im ersten Halbjahr 2009 auf den Basistarif beschränkt, im Interesse aller PKV-Versicherten für richtig.

Auch wenn nur wenige PKV-Unternehmen durch die Ausweitung des Wechselrechts im ersten Halbjahr 2009 in Schwierigkeiten kommen sollten, wäre als Folge einer negativen Berichterstattung die gesamte PKV betroffen. Die Frage der Existenzberechtigung der PKV würde wieder verstärkt diskutiert.

DR. H.C. JOSEF BEUTELMANN: Ja, ich halte es für richtig, dass man sich jetzt auf eine Verweildauer von 18 Monaten geeinigt hat, wobei ich mir durchaus auch 36 Monate (Wahltarif GKV) hätte vorstellen können. Ursprünglich war der Tarif als Auffangtarif für Nichtversicherte gedacht. Zwischenzeitlich mutierte er in der Diskussion aber zu einem „Sprungbretttarif“ für wechselwillige Altkunden. Diese Situation hätte eine fürchterliche Abwerbeschlacht nach sich gezogen und bei Versicherern mit großem Altkundenbestand zu Prämiensteigerungen geführt. Im Basistarif haben wir Annahmezwang, das bedeutet, wir dürfen keine Risikozuschläge erheben oder Leistungsausschlüsse vereinbaren. Die längere Verweildauer führt nun dazu, dass ein Wechsel wenig attraktiv wird. Dies wirkt einer negativen Risikoselektion entgegen.

Herr Dr. Beutelmann, welche Folgen wird das außerordentliche Wechselrecht für Bestandskunden im ersten Halbjahr 2009 für die PKV-Branche haben?

DR. H.C. JOSEF BEUTELMANN: Das kann für einen anspruchsvollen Kunden deshalb keine Lösung sein, weil dieser ja an individuellem, qualitativ hochwertigem Versicherungsschutz interessiert ist. Während der Verweildauer hätte er allerdings nur einen Versicherungsschutz, der dem eines gesetzlich Krankenversicherten entspräche. Und das bei einem meist deutlich höheren Beitrag als zuvor. Würde er nach der Pflicht-Verweildauer in einen höherwertigen Tarif des neuen Versicherers wechseln wollen, so müsste er dann mit einem höheren Eintrittsalter einsteigen. Das könnte durchaus höhere Beiträge zur Folge haben. Vom vielleicht veränderten Krankheitsrisiko bzw. einem eventuellen Leistungsausschluss oder Risikozuschlag für die Mehrleistungen einmal ganz abgesehen. Diese Fakten sprechen nicht für einen Wechselhype. Deshalb sehe ich diese Angelegenheit zunächst einmal gelassen.

Wie beurteilen Sie die Zukunft für Krankenversicherer in Rechtsform einer AG und einer VVaG, falls der Zuwachs in der Voll-KV weiterhin abnimmt?

DR. H.C. JOSEF BEUTELMANN: Die Rechtsform des VVaG weist für Versicherte spezifische Vorteile auf. Die Versicherten sind z.B. gleichzeitig Mitglieder des Vereins, das Erfordernis der Dividende entfällt, und der Verein muss keine Rücksicht auf Aktionäre nehmen. Überschüsse kommen direkt den Versicherten zugute. Da ein wesentliches Unternehmensziel des Vereins in der Deckung des Versicherungsbedarfs liegt, sehe ich die Zukunft für Versicherungsvereine durchaus positiv. Der Bedarf an Vollversicherungen ist ja da und wird auch zukünftig nicht ausbleiben. Die Kunden wollen individuelle und attraktive Angebote in diesem Bereich mehr denn je. Das muss auch die Politik langsam erkennen und uns deutlich mehr Möglichkeiten geben, die Bedürfnisse der Kunden auch zu befriedigen.

Eine Arbeitsgruppe des GDV hat kürzlich den Vorschlag gemacht, eine Basisversicherung für alle Einwohner/-innen Deutschlands, egal ob bei der GKV oder PKV, einzuführen.

Die Beiträge sollen für alle gleich sein, unabhängig vom Einkommen, Alter und Gesundheitszustand. Für Kinder soll der Staat aufkommen.

Weiterhin soll ein Annahmezwang für Versicherer für diese Basisversicherung eingeführt werden.

Die restlichen Risiken, die über diese Basisversicherung nicht abgedeckt wären, könnten die Bürger dann über Zusatzversicherungen abdecken.

Ziel dieser Maßnahme soll sein, die GKV mittelfristig zu privatisieren und auf Kapitaldeckung umzustellen.

Was halten Sie von dem Vorschlag, einen Systemwechsel des in Deutschland geltenden dualen Versicherungssystems einzuführen?


FRIEDRICH SCHMÜCKER: Das Arbeitspapier einer GDV-Arbeitsgruppe war als reines Diskussionspapier entstanden und nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Die daraufhin entstandenen Spekulationen in Richtung Einheitsversicherung waren zu keinem Zeitpunkt als Beschlussvorlage vorgesehen. Niemand in der PKV will die Vollkostenversicherung aufgeben und sich damit von den Vorteilen des generationengerechten Kapitaldeckungsverfahrens verabschieden.

Dennoch sind Veränderungen des Gesundheitssystems wahrscheinlich. Die konkrete Ausgestaltung ist aber abhängig von den politischen Konstellationen ab 2010.

Langfristig ist das hohe Niveau der Gesundheitsversorgung ohne Kapitaldeckung nicht mehr finanzierbar, und Leistungseinschränkungen sind ohne Wählerstimmen zu verlieren
politisch nur sehr schwer umsetzbar.

Die Strategievorschläge des GDV-Arbeitspapiers zielen auf mehr Kapitaldeckung, mehr Privatisierung und auch Kooperationsmodelle mit der GKV hin.

Der im GDV-Papier genannte Zeithorizont von 15–20 Jahren zur Systemumstellung gilt als knapp bemessen, da hierfür eine Kapitaldeckung im Billionen-Euro-Bereich aufgebracht werden müsste.

Die PKV steht vor der Notwendigkeit, einen neuen Strategieansatz auch im eigenen Geschäftsmodell zu finden. Die Diskussion ist daher notwendig – aber nicht unter Aufgabe elementarer Grundsätze des bisherigen Geschäftsmodells.

DR. H.C. JOSEF BEUTELMANN: Die private Krankenversicherung ist als marktwirtschaftliche Alternative zu einer staatlichen Versorgung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unverzichtbar. Deshalb steht die deutsche Versicherungswirtschaft in ihrer Gesamtheit auch uneingeschränkt zum dualen Gesundheitssystem. Wir sehen eine Einheitsversicherung nicht als Lösung an und werden dies auch nicht unterstützen. Auch die Frage der Finanzierung der Krankenversicherung für Kinder haben wir bereits mehrfach thematisiert. Gesetzlich und privat versicherte Kinder sind in jedem Fall gleichzubehandeln.

Zum Thema Annahmezwang: Das Thema ist für die PKV schon heute gang und gäbe. Denken Sie nur an die Möglichkeiten im Rahmen der Mitversicherung ab Geburt, den diversen Öffnungsregelungen für Beamte oder den modifizierten Standardtarif. Sie alle garantieren die Aufnahme in die PKV. Damit übt die PKV eine erhebliche Schutzfunktion aus. Wünschenswert im Sinne der Bürger wäre es, zusätzlichen Personengruppen eine Wahlmöglichkeit zwischen GKV und PKV einzuräumen und den Kreis der möglichen Versicherten nicht immer mehr einzuschränken. Nur auf diesem Wege kann man langfristig mehr Nachhaltigkeit und Demografiefestigkeit in das deutsche Gesundheitssystem einbringen.

Wie sehen Sie die Vertriebschancen für die PKV im Vergleich zur GKV nach dem 1.1.2009, wenn in die PKV-Beiträge die Portabilität der Alterungsrückstellungen einkalkuliert werden muss, die GKV aber auf der anderen Seite durch den Gesundheitsfonds gesteuert wird? Welche Auswirkungen erwarten Sie auf die Tarifkalkulation in der PKV, und welche Anreize wird es für künftig Vollversicherte zum Wechsel geben?

FRIEDRICH SCHMÜCKER: Die Einführung des Gesundheitsfonds würde wegen des zu erwartenden Anstiegs des durchschnittlichen Beitragssatzes in der GKV die Wettbewerbsfähigkeit der PKV zunächst einmal verbessern.

Aber, da gleichzeitig die PKV zur Einführung eines neuen Basistarifes verpflichtet wurde, ist zu befürchten, dass dieser Tarif mit Beitragsdeckelung, Kontrahierungszwang und sozialen Elementen nicht kostendeckend ist und von den Normaltarifen subventioniert werden muss.

Dies führt ebenso wie die Mitgabemöglichkeit von Alterungsrückstellungen beim Unternehmenswechsel zu Prämiensteigerungen, die den Wettbewerbsvorteil wegen der Einführung des Gesundheitsfonds wieder zunichtemachen.

Die Wettbewerbsfähigkeit der PKV gegenüber der GKV wird im Neugeschäft aufgrund des höheren Beitrags langfristig sinken. Einige wenige bisher GKV-Versicherte könnten sich eher dazu entschließen, zur PKV zu wechseln, da sie durch Mitgabe der Alterungsrückstellungen auch innerhalb der PKV bessere Wechselmöglichkeiten haben.

Unternehmen, die bisher im Sinne des Kunden ihre Beiträge mit relativ großen Sicherheiten kalkuliert haben, könnten sich gezwungen sehen, diese aus Wettbewerbsgründen aufzugeben. Unzufriedene Kunden (Beitragsanpassung; Leistungsablehnung) werden sich vermehrt Alternativangebote einholen.

Sofern es uns als PKV-Unternehmen und Ihnen als Vermittler gelingt, die Vorteile des Kapitaldeckungsverfahrens der PKV gegenüber dem Umlageverfahren der GKV besser als bisher in den Medien und gegenüber der Politik darzustellen, bestehen auch weiterhin gute Vertriebschancen für die PKV. Hilfreich hierbei wäre es, wenn die Verfassungsklage von 30 PKVUnternehmen gegen Teile des GKV-WSG erfolgreich ist.

Um dieser Rechtsunsicherheit vorzubeugen, sollten sich bisher freiwillig in der GKV versicherte Personen, die schon seit längerem mit einem Wechsel in die PKV liebäugeln, schon in diesem Jahr einen Antrag zur Aufnahme in die PKV stellen.

DR. H.C. JOSEF BEUTELMANN: Durch die Einführung des Gesundheitsfonds werden die allermeisten Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen demnächst deutlich mehr für ihre Krankenversicherung zu zahlen haben. Die Kunden sehnen sich zunehmend nach individuellen Angeboten. Das spricht für die private Krankenversicherung. Wir möchten als privater Krankenversicherer noch mehr Privatmedizin bieten. Wir sind dabei, einen eigenen Qualitätsstandard „PrivatMedizin“ zu entwickeln. Im Krankenhausbereich waren wir mit unseren Wahlleistungstarifen auch schon sehr erfolgreich. Andere Segmente, so z.B. in der ambulanten Versorgung oder im Zusammenhang mit anderen Leistungserbringern, werden folgen. Wir bieten innovative und attraktive Produkte, gepaart mit einem „ausgezeichneten“ Service sowohl für unsere Vertriebspartner als auch unsere Kunden. Die Vertriebschancen sind meiner Meinung nach also gut.

Kunden, die gesetzlich versichert sind und sich in einem der neuen Wahltarife der GKV versichern, sind 3 Jahre an diesen Tarif gebunden. Wie beurteilen Sie die zukünftigen Vertriebschancen der PKV in diesem Zusammenhang?

DR. H.C. JOSEF BEUTELMANN: Gut, nach wie vor. Ich denke, dass sich GKV-Mitglieder sehr genau überlegen, ob sie sich in einem Wahltarif ihrer GKV über drei Jahre binden oder ob sie sich für eines der vielfältigen Angebote eines privaten Krankenversicherers entscheiden, in dem sie zeitlich nicht gebunden sind. Generell sind Zusatzversicherungen immer noch beliebt. Insgesamt wurden im letzten Jahr 10,6% mehr Zusatzversicherungen zum GKV-Schutz abgeschlossen als 2006 (Rechenschaftsbericht der PKV für das Jahr 2007).

Sehr geehrter Herr Dr. Beutelmann, sehr geehrter Herr Schmücker, ich danke Ihnen für dieses wirklich aufschlussreiche Gespräch.

TopNews Sonderbeilage Versicherungen